Aktuelles


Sächsische Zeitung, November 2010
Gravitätisch durchmaßen die Musiker die „Tragische“ Brahms-Ouvertüre d-Moll. Hoch konzentriert begleiteten sie Susanne Grützmann, die das selten zu hörende Klavierkonzert Nr. 1 von Clara Wieck zu einem kleinen Diamanten geschliffen hatte. Die fantasievoll perlenden Verzierungen kamen auf dem kleinen Flügel des Radebeuler Stammhauses besser zur Geltung als auf jedem wuchtigen Steinway, den Dresdens große Häuser für diesen Anlass aufgefahren hätten. [...]
Punktgenau servierten die Musiker nach der Pause Schumanns Sinfonie Nr.2 C-Dur. Die rasenden Notenketten des Scherzos verbreiteten sich in den Streichern wie ein Lauffeuer. Bläser und Schlagwerk illustrierten den Ernst der Lage. Und in den elegischen Tonlandschaften des expressiven Adagios bewiesen Oboe und Fagott träumerisch langen Atem. Generalmusikdirektor Michele Carulli hatte den Weitblick, die große Form angemessen zu gliedern.
Der Dirigent versuchte, für das kulturpolitische Radebeuler Dilemma passende Worte zu finden. Carulli erinnerte daran, dass die Landesbühnen ein Orchester sind, das die Kultur in die Breite trägt. „Beethovens Neunte im Fernsehen, schön und gut – aber das ist Fassade. Damit der Baum Blüten bekommt, Früchte trägt, braucht er Wurzeln – und wir sind diese Wurzeln.“ Das Publikum dankte für die Schlussrede mit feurigem Applaus, sprang nach dem zugegebenen Satz aus Beethovens Schicksalssinfonie von den Sitzen und rief so laut „Bravo“, dass man es im Landtag hätte hören müssen.

Sächsische Zeitung, Oktober 2010
Mit einer ausgesprochen jungen Zauberflöte begeisterten die Landesbühnen ihr Premierenpublikum.
[...]
Eingebettet in ein verlässliches Ensemble, Chor und Orchester können sich überaus junge Protagonisten entfalten. Die schillernde Königin der Nacht, gestaltet von Christina Poulitsi, der monolithische Sarastro Hagen Erkraths und dessen schwarze Seele Monostatos in der Darstellung von Andreas Petzold. Staunenswert ist insgesamt auch das stimmliche Potenzial. Norman Patzke setzt einen tragenden, wandlungsfähigen Bariton ein, Axelsson nimmt die Herausforderungen der Tamino-Partie scheinbar angstfrei an. [...] Die Landesbühnen zeigen einmal mehr, dass kleine Theater nicht nur für das Publikum im Land, sondern auch für die Entwicklung von Sängern unverzichtbar sind.
Michele Carulli
gab vom Pult aus dem Abend eine ganz besondere Prägung. Seine ungewohnten, extremen Tempi gaben dem Abend Spannung, ließen manches geradezu zeitlupenartig deutlich werden, fegten anderes schwungvoll über die Bühne.

Orpheus Mai/Juni 2010
Louis Spohr: Faust
[...]
Die Musik lohnt das Unterfangen. Auch wenn die große dramatische Pranke fehlen mag: Faust, hier in der Urversion mit gesprochenen Dialogen gegeben, nimmt durch die wohlige Mischung aus deutschem Singspiel, romantischem Sturm und einem Schuss Belcanto, gespickt mit vielen interessanten Instrumentalsoli für sich ein. Der Dirigent und Initiator der Entdeckung, Michele Carulli, macht von Beginn an klar, dass dieser Faust zu Unrecht unterschätzt wird. Er spürt die individuellen Qualitäten der Musik und ihre vielen schönen Orchesterdetails auf und ist umsichtiger Sängerbegleiter. Allerdings kann er auch auf ein leistungsstarkes junges Ensemble bauen, zu dem man den Landesbühnen Sachsen nur gratulieren kann. [...] Ja, warum nicht öfters Louis Spohr?

Das Orchester, April 2010
Auch wenn Strawinskys Scherzo à la Russe ein augenzwinkernder Orchesterspaß ist, umspannt das subtil-witzige Stückchen noch am ehesten die Gespalten- und Zersplittertheit des 20. Jahrhunderts – exemplarische Klänge dieser Epoche hatten sich das Orchester der Landesbühnen und ihr Leiter für ihr drittes Sinfoniekonzert der Saison vorgenommen. [...] GMD Michele Carulli war kurz zuvor bei einer Probe gestürzt und saß am Konzertabend mit rotbesocktem Gipsfuß am Pult, warf seine Krücken schwungvoll neben sein Podest – nichts konnte ihn in seiner Agilität beim energiegeladenen Dirigieren einschränken: Er peitschte seine Musiker an und zügelte sie, beutelte sie durch die Partitur und luchste ihnen so eine wirklich witzige und spritzige Interpretation ab. Das waberte lustig und entlud sich blitzartig – Kompliment vor allem an die Hörner, denen das Stückchen einiges abfordert, was selten ohne Gekiekse abgeht; die Radebeuler schafften es sauber durch alle Strawinsky-Untiefen. [...]
Respighi verschwand doch zu gerne musikalisch in anderen Jahrhunderten. Sein leider selten gespieltes Concerto in modo misolidio, das in Radebeul mit dem italienischen Pianisten Sandro Ivo Bartoli auf dem Programm stand, etwa ist in seiner gregorianischen Kirchentonart ein geradezu archaisches Raunen, mal mystisch nebulös, mal romantisch von satten Farben überbordend. Besonders choralhafte Passagen, etwa die Eingangssequenz des Lento, bauten die Streicher zu einem weichen Klangmeer aus, über das der Solopart federleicht plätscherte. Sandro Bartoli zauberte perlende Klangkaskaden über ein sich nie zu sehr zurücknehmendes Orchester – Carulli hielt das in der richtigen Balance – und pfefferte die extrem virtuosen Kadenzen nur so hin. [...]
Die Orchestermitglieder der Landesbühnen schafften gesamt einen Abend, der den Wunsch ihres Chefs an sein Publikum komplett erfüllte: Buon ascolto – ein solcher Hörgenuss war das dritte philharmonische Konzert durchaus!

Dresdner Neueste Nachrichten, März 2010
[…] Da staunt man schon, wenn ein Italiener aus dem sonnenverwöhnten Apulien ein ganzes Programm mit Grieg und Sibelius auf den Spielplan setzt. Michele Carulli hat als Chef des Orchesters der Landesbühnen Sachsen vor einiger Zeit begonnen, die Sinfoniekonzerte thematisch zu verfassen, und trifft ganz offensichtlich den Nerv seines Publikums. Die zweite Aufführung des 4. Sinfoniekonzertes als Sonntagsmatinee strafte alle Pessimisten Lügen die gern vor der Vergreisung desselben warnen: Von 8 bis 80 war im völlig ausverkauften Haus einfach jede Altersgruppe gut vertreten. […]
Was man anfänglich für Behäbigkeit oder übertriebene Gewichtung halten konnte Carullis breite Tempi nämlich verwandelte der Dirigent in fesselnde Szenerien voll dramatischer Wucht oder in mitreißenden Tanz. Beeindruckend dabei war nicht nur die Spielfreude des ganzen Orchesters, sondern vor allem die Geschlossenheit und Reinheit der Streicher. […]
Am Ende nochmals so feinsinnig wie überschäumend gespielt „Peer Gynt“ von Grieg. Dass GMD Carulli seine Musiker stets fordert, beflügelte das Orchester auch hier hörbar, verhalf den Zuhörern zu einem ausdruckprallen Erlebnis zwischen morgendlicher Sonne und tiefer Trauer. Am Ende ließ der Dirigent seinem öfter durchblitzenden Humor freien Lauf, hüpfte zu „In der Halle des Bergkönigs“ auf dem Podium, dass es jeden Troll in Norwegen gefreut hätte. Extrem gedehntes accelerando brach sich endlich in einem furiosen Finale Bahn – kein Wunder, dass dieser Satz gleich noch einmal gespielt werden musste. Was für ein bemerkenswerter Sonntagmorgen.

Dresdner Neueste Nachrichten, Januar 2010
Bei den Landesbühnen Sachsen durfte man wohl mehr als nur ein klein wenig stolz – wie es Dirigent Michele Carulli nannte – darauf sein zu Silvester 2009 ein ungewöhnliches Jubiläum feiern zu können: Seit 50 Jahren ohne Unterbrechung hat das Orchester zum Jahresschluss Beethovens 9. Sinfonie d-Moll auf dem Programm und ist damit das einzige deutsche Orchester mit dieser langen Tradition. [...]
Michele Carulli hatte den Kopfsatz noch etwas breit pathetisch aufgefasst und den Fluss einige Male gebremst, legte dann aber einen Humor an den Tag, der für eine Beethoven-Interpretation durchaus selten ist. Im zweiten Satz pulste es von mitreißender Spielfreude mit viel Delikatesse, der langsame Satz war intensiv lyrisch ausgelegt. Diese klar angelegten Charaktere fanden sich im Dialog mit den ernsten Kontrabässen des Finalsatzes wieder. Behäbige Tempoeinbrüche in den großen Chorstellen brauchte Carulli nicht, ließ so den Damen und Herren der Singakademie Dresden und des Chores der Landesbühnen die Möglichkeit, zu großem Klang zu gelangen, und behielt diesen Schwung bis zum Schluss bei.


Sächsische Zeitung, Januar 2010
Beethovens Sinfonie Nr. 9 mit dem Schlusschor auf Schillers Ode „An die Freude“ erklingt in Radebeul seit 1959 in ununterbrochener Folge zum Jahresausklang.
Und Michele Carulli, der temperamentvolle Chefdirigent, liebt dieses Werk sichtlich. Unter seiner Leitung wird es zu einem machtvollen Triumph, zu „Menschheitsmusik“ und „Weltpathos“. Das Orchester ist mit seiner expressiven Führung, seiner kenntnisreich durchdachten und lustvoll ausgekosteten Werksicht bestens vertraut und spielt hervorragend mit. Gleiches gilt vom Chor. In guter Tradition bildeten Singakademie und Theaterchor eine Einheit. Sie bestechen nicht durch Masse, sondern durch dynamisch differenzierte, gut artikulierte und sinnig gesetzte Akzente der Textinterpretation.